PM – Verhandlung in Den Haag zu Gasbohrungen vor Borkum wird fortgesetzt

Pressemitteilung:

Am 25.01.2024 wurde vor der Rechtbank Den Haag das Verfahren gegen die Genehmigung von ONE-Dyas zur Errichtung einer Gasplattform und der Förderung für die nächsten 35 Jahre weiter verhandelt.

Die Stickstoff- und Schwefelemissionen waren im bisherigen Hauptverfahren im September letzten Jahres noch nicht erörtert worden, weil erst seit kurzem eine neue Genehmigung dazu vorliegt. Wichtigster Punkt dabei war, wie sich die Emissionen auf die eh schon stark durch Stickstoff geschädigten Graudünen auf der niederländischen Insel Schiermonnigkoog auswirken. Für uns als Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland dabei völlig unverständlich, warum die Emissionen, die auf der gleich weit von der Bohrstelle liegenden deutschen Insel Borkum, aber im Gegensatz zu Schiermonnigkoog in Hauptwindrichtung liegend, gar nicht bewertet werden. Ein neuer Teilerfolg ist, dass der Bohrstop für voraussichtlich ein weiteres viertel Jahr aufrecht bestehen bleibt. Das Gericht möchte sich bis zum 18. April Zeit nehmen alle Fakten zu analysieren und zu bewerten. Positiv stimmt uns dabei, dass  sich das Gericht wie auch schon im Sommer sehr ausführlich mit den kleinteiligen Fragestellungen auseinandergesetzt hat und sich von beiden Seiten die Erklärungen dazu hat geben lassen. Häufig läuft es bei diesen Fragestellungen allerdings darauf hinaus, ob die Auswirkungen sich messtechnisch erfassen lassen und ein kausaler Zusammenhang eindeutig darstellbar ist. Dabei ist der Klimawandel, der in der Hauptsache durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern entstanden ist, genau wie das Artensterben mit seinen Auswirkungen für die Nordsee schon heute deutlich sichtbar.
Bisher wurden bei Verfahren dieser Art die bei der Verbrennung des geförderten Gases frei werdenden CO2 Emissionen nie bewertet. Man hat sich stets nur um die bei der Förderung entstehenden Emissionen gekümmert. Wir hoffen, dass sich das Gericht dieser globalen Verantwortung stellt und die Genehmigung annulliert. Aber selbst wenn sich das Gericht nur auf die lokaleren Begebenheiten bezieht, hoffen wir, dass die neu entdeckten und in der Nordsee sehr seltenen Steinriffe Grund genug bieten, die Einleitung von großen Mengen von Schadstoffen wie Benzol und Methanol aus dem Produktionswasser der Bohrplattform in das Küstenmeer zu untersagen. Eines aber wurde heute wieder ganz klar, die beteiligten Partner der Klage – Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland, DUH und Mobilisation for the Environment (NL) – sowie die Stadt Borkum sind sich vollkommen einig, dass sie sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland alle rechtlichen Möglichkeiten bis zum Schluss voll ausnutzen werden, um dieses rückwärtsgewandte zerstörerische Projekt zu stoppen.

 

Rechtbank Den Haag: Gemeinsam gegen die Gasbohrungen in der Nordsee.  v.l.n.r.: Constantin Zerger (DUH), Clara Winkler (DUH), Stijn van Uffelen (Rechtsberatung), Bernd Meyerer (BI Saubere Luft Ostfriesland) Bondine Kloostra (Anwältin), Franziska Saalmann (Greenpeace), Frauke Koppaetzky (BI), Sandra Franke (Borkum)
Die Landtagsabgeordnete Meta Janssen-Kucz demonstriert gegen die Gasbohrung vor Borkum

 

Presse:

https://www.nwzonline.de/landkreis-leer/verhandlung-in-den-haag-one-dyas-wegen-gasbohrung-vor-borkum-verklagt_a_4,0,4063430422.html

https://taz.de/Klage-gegen-Bohrturm-vor-Borkum/!5984717/

https://taz.de/Geplante-Gasbohrung-im-Wattenmeer/!5984681/

Weitere Details:
Die Beurteilung von Lebensraumtypen führt grenzüberschreitend häufig zu Komplikationen. So hatte ONE-Dyas in seinen Untersuchungen zum Meeresboden die niederländischen Definitionen für Steinriffe verwendet und daher weder in den Niederlanden noch auf deutscher Seite der Bohrstelle Riffe gefunden. Die von Greenpeace initiierten Tauchgänge haben aber die Riffe beiderseits klar gefunden. Beim Thema Graudünen und Stickstoff verhält es sich andersherum. Hier haben sich ONE-Dyas und das niederländische Gericht die deutsche Methode zu eigen gemacht. Die gleich hohen Stickstoffwerte, die auf Schiermonnigkoog zu einer Überlastung führen, werden nach dem deutschen Abschneidekriterium als irrelevant eingestuft. Der Fehler dabei ist, dass die deutsche Methode eigentlich für Autobahnen entwickelt wurde und deshalb hauptsächlich Lebensraumtypen des Waldes damit gut zu beurteilen sind. Auf marine Lebensraumtypen ist diese Methode nur unzureichend anzuwenden. Die Stickstoffstudie, die wir vor kurzem dem Gericht vorgelegt haben, führt deutlich aus, dass in einem Gebiet wie Schiermonnigkoog oder Borkum, wo der Erhalt der Dünen mit seinen natürlichen Dynamiken auch gerade im Hinblick auf den Küstenschutz sehr wichtig ist, auch kleine zusätzliche Einträge, die von One Dyas aber ja für einen Zeitraum von 35 Jahren beantragt wurden, zu einer Verschlechterung der Habitate führen. Aufwendige Gegenmaßnahmen, die auf Borkum bereits durchgeführt werden, verlieren dadurch ihre Wirkung. Die Studie zeigt deutlich, dass eine langfristige Erhaltung dieser Lebensraumtypen nur möglich ist, wenn die Einträge von Stickstoff reduziert werden. Das liegt daran, dass die Wirkung von Stickstoff sich nicht nur auf die Düngewirkung und den damit verbundenen Verdrängungseffekt durch weniger stickstoffsensible Arten begrenzt, sondern zusätzlich der Boden durch eine Versauerung langfristig seine chemische Struktur irreversibel ändert und somit die typischen Pflanzen dort gar nicht mehr wachsen können. Die europäischen FFH-Richtlinien sollen den Schutz dieser ganz speziellen Lebensraumtypen sicherstellen. Wenn es hier durch das Benutzen verschiedener nationaler Regelungen zu einer Benachteiligung dieser Naturwerte kommen kann, muss sich das niederländische Gericht mit dieser Fragestellung an das europäische Gericht wenden. Das hat der Anwalt von Borkum und Juist auch so beantragt.