Emden, 07.02 2025
250207 NLWKN Stellungnahme Kabeltrasse BI_os
Aktenzeichen: NLWKN – Direktion – D 6 O 11 – 62022-687-001
Wasserrechtliche Anlagengenehmigung der ONE-Dyas B. V. zur Verlegung eines Stromkabels vom Offshore-Windpark Riffgat zur geplanten Gasförderplattform N05-A vom 21.10.2022 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 19.07.2024 sowie naturschutzrechtliche Befreiungen nach § 67 BNatSchG vom Verbot des § 30 Abs. 2 BNatSchG vom 01.09.2022, 19.07.2024 und Änderung vom 30.07.2024 (Az. BIV.1.7-22113-01 und B.4-1.1-22113-01)
Sehr geehrte Damen und Herren,
anbei eine Stellungsahme der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland e.V,. die mit Vollmacht des Landesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen e.V. (LBU) abgegeben wird. Ich bin als Sprecherin der BI Saubere Luft Ostfriesland und als Bevollmächtigte des LBU zur Abgabe der Stellungnahme namens des LBU berechtigt.
Der Antrag der ONE-Dyas B.V. auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis und einer naturschutzrechtlichen Befreiung zur Verlegung eines Stromkabels vom Offshore-Windpark Riffgat zur geplanten Gasförderplattform N05-A wirft erhebliche rechtliche Bedenken auf, die zum Ablehnen des Antrages führen müssen.
1 Argumente gegen eine Befreiung nach § 67 BNatSchG
Wir bestreiten den Antrag aus drei Hauptgründen: Fehlen eines atypischen Falls, Fehlen eines überwiegenden öffentlichen Interesses und Unzulänglichkeit der vorgeschlagenen Kompensationsmaßnahmen.
1.1 Atypischer Fall
Ein „atypischer Fall“ bezieht sich auf außergewöhnliche Umstände, die vom Gesetzgeber nicht vorhersehbar waren und somit eine Abweichung von den allgemeinen Rechtsvorschriften erfordern. Die aktuelle Situation erfüllt diese Voraussetzung nicht.
– Regelhaftigkeit: Die Verlegung eines Stromkabels in einem geschützten Gebiet ist kein außergewöhnliches Ereignis, sondern eine vorhersehbare Tätigkeit, die unter die allgemeinen Bestimmungen des BNatSchG fällt. Der Gesetzgeber hat derartige Szenarien bereits bei der Ausarbeitung des Gesetzes berücksichtigt, wodurch die Anwendung einer Befreiung hier nicht in Betracht kommt.
– Rechtliche Präzedenzfälle: Vorherige Gerichtsurteile haben festgestellt, dass Aktivitäten wie der Bau von Offshore-Infrastrukturen nicht als atypische Fälle gelten. So hat das OVG Berlin-Brandenburg entschieden, dass derartige Aktivitäten im Rahmen der regulären Rechtsvorschriften liegen.
1.2 Fehlendes überwiegendes öffentliches Interesse
Wir bezweifeln, dass das Projekt einem überwiegenden öffentlichen Interesse dient, insbesondere in Bezug auf Energieversorgungssicherheit und Klimaschutz.
– Energieversorgungssicherheit: Der Beitrag der N05-A-Plattform zur deutschen Gasversorgung ist minimal. Mit einer maximalen jährlichen Produktion von 1,05 Milliarden Kubikmetern L-Gas deckt sie weniger als 1 % des deutschen Gasbedarfs ab. Dieser geringe Beitrag rechtfertigt nicht die Umweltschäden.
– Klimaschutz: Die Nutzung von Windenergie aus dem Windpark Riffgat zur Unterstützung der Förderung fossiler Brennstoffe widerspricht Deutschlands Klimazielen. Das Projekt untergräbt Bemühungen, auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dies wird auch aus einer Entscheidung der Bundesnetzagentur ersichtlich:
Bundesnetzagentur lehnt potentielle Einspeiseverringerungen des Windpark Riffgat als klimaschädlich ab
Die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur, hat im Verwaltungsverfahren Az. BK6-16-268 (https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Beschlusskammern/1_GZ/BK6-GZ/2016/BK6-16-268/BK6-16-268_Beschluss_2016_12_21_download.pdf?__blob=publicationFile&v=1)
betreffend die Zuweisung von Anschlusskapazität für Pilotwindenergieanlagen auf See einen Antrag der Offshore-Windpark RIFFGAT GmbH & Co. KG am 21.12.2016 abgelehnt. Die Beschlusskammer stellt fest, dass sehr gewichtigen öffentlichen Gründe gegen die Zuweisung sprechen. So könne beispielsweise eine Beschädigung des Kabels dazu führen, dass der Stromtransport über das Kabel, d. h. die Einspeisung des Offshore-Windparks der Antragstellerin, beschränkt und sogar unterbrochen werden muss. Der Offshore-Windpark Riffgat könnte dann nur noch teilweise oder gar nicht mehr einspeisen und an Stelle der fehlenden umweltfreundlichen Einspeisung durch den Offshore-Windpark träte dann ersatzweise die Einspeisung durch klimaschädliche konventionelle Kraftwerke.
Die Bundesnetzagentur misst der Einspeisung von erneuerbarer Energie durch den Offshore-Windpark eine solche Wichtigkeit bei, dass selbst für ein Forschungsvorhaben dessen Ziel die Entwicklung eines ökologisch optimierten Gründungssystems für Offshore-Windenergieanlagen, das durch die Bundesregierung im Rahmen des 6. Energieforschungsprogramms mit rd. 7 Mio. EUR gefördert würde, eine mögliche Verringerung der Einspeisung nicht hinnehmbar wäre.
1.3 Klimaneutrale Erdgasproduktion so nicht realisierbar
Der Plan von One Dyas der suggeriert, durch den Betrieb der Produktionsplattform mithilfe von Energie aus dem Windpark Riffgat sei eine klimaneutrale Erdgasproduktion zu realisieren geht summarisch nicht auf, denn jede verminderte Leistungsabgabe in das deutsche Stromnetz würde den Angaben der Bundesnetzagentur nach durch fossile Energie ersetzt.
– Aktuelle Gasversorgungslage: Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil, und durch LNG-Terminals besteht eine ausreichende Importkapazität. Die Alarmstufe im Notfallplan Gas ist nicht mehr in Kraft, was darauf hindeutet, dass das Projekt nicht entscheidend für die Energieversorgungssicherheit ist.
1.4 Alternative zum Anschluss der Plattform an den Windpark ist vorhanden
One-Dyas hat mittlerweile in den Niederlanden den Betrieb von Generatoren zur Versorgung der Plattform mit Elektrizität gestellt und die Genehmigung dafür wurde am 24.12.2024 erteilt. Damit gibt es ab sofort eine Alternative die ohne eine Beeinträchtigung der Riff Biotope realisierbar ist. Die Genehmigung für die Kabeltrasse sowie eine Befreiung sind somit abzulehnen.
Wären die ausgedehnten Vorkommen des LRT H1170 schon zum Zeitpunkt der Antragsstellung bekannt gewesen, hätte One-Dyas schon seinerzeit eine Alternative planen können. Dies ist allerdings One-Dyas selbst zuzuschreiben, denn die von One-Dyas seinerzeit bei Marine Space in Auftrag gegebene Untersuchung hatte schon die für das heutige Ergebnis erforderlichen Daten ermittelt, die Marine Space dann in seinem Bericht von 2024 vorgelegt hat. Selbst wir waren als Laien in der Lage die Riffe anhand der damals schon vorliegenden Daten zu erkennen. Offensichtlich wurde die UVP im Genehmigungsverfahren zur Erdgasförderung N05-A und für die Kabeltrasse sehr unzureichend durchgeführt.
1.5 Unzureichende Kompensationsmaßnahmen
Wir kritisieren die vorgeschlagenen Kompensationsmaßnahmen. Sie sind nicht geeignet den durch das Projekt verursachten Umweltschaden auszugleichen.
-Ökosystem Riff: Die Zerstörung von Riffen ist irreversibel. Diese Ökosysteme, einmal geschädigt, können nicht effektiv wiederhergestellt oder kompensiert werden, da sie Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte benötigen, um sich zu erholen.
– Vorgeschlagene Kompensationsflächen: Die für die Kompensation vorgeschlagenen Flächen sind sowohl in Größe als auch in Qualität unzureichend. Sie bieten keinen gleichwertigen Lebensraum für die zerstörten Riffe und können den Verlust der Artenvielfalt nicht verhindern.
– Rechtliche Anforderungen: Das BNatSchG verlangt, dass Kompensationsmaßnahmen die ökologische Funktion der betroffenen Gebiete wiederherstellen oder verbessern müssen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen erfüllen diese Anforderung nicht, da sie weder die verlorenen Lebensräume ersetzen noch einen gleichwertigen ökologischen Wert bieten.
2 Umweltauswirkungen
Die Umweltauswirkungen des Projekts sind insbesondere im Hinblick auf die Zerstörung von Riffen des LRT H1170 nicht hinnehmbar.
2.1 Riffe des LRT H1170
Riffe gehören zu den biodiversitätsreichsten Ökosystemen in der Meeresumwelt und bieten Lebensraum für zahlreiche Arten, darunter Fische, Wirbellose und Mikroorganismen. Sie spielen eine entscheidende Rolle im marinen Nahrungsnetz und bieten Schutz vor Küstenerosion.
– Hotspots der Biodiversität: Die Riffe in der Nordsee sind Heimat einer Vielzahl von Arten, von denen viele auf diese spezifischen Lebensräume angewiesen sind. Die Zerstörung von Riffen würde zu einem erheblichen Verlust der Artenvielfalt führen.
– Wissenschaftliche Studien: Forschungen deuten darauf hin, dass Riffe in der Nordsee bereits durch menschliche Aktivitäten wie Fischerei, Schifffahrt und Klimawandel bedroht sind. Die zusätzliche Belastung durch das Kabelverlegen würde diese Bedrohungen verschärfen.
2.2 Zerstörung und Irreversibilität
Der Prozess der Stromkabelverlegung, einschließlich der Bodenarbeiten, verursacht sofortige physische Schäden am Meeresboden und seinen Bewohnern. Die langfristigen Auswirkungen sind ebenso besorgniserregend.
– Physische Schäden: Der Kabelverlegungsprozess stört den Meeresboden, zerstört Lebensräume und führt zum Absterben von benthischen Organismen. Die Verwendung schwerer Maschinen generiert auch Lärmverschmutzung, die ebenfalls Meeresleben stört.
– Irreversibilität: Einmal zerstört, können Riffe nicht effektiv wiederhergestellt werden. Wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass die Regeneration von Riffen, falls überhaupt möglich, Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte dauern würde, was den Schaden innerhalb eines praktischen menschlichen Zeitrahmens irreversibel macht.
-Bei der Neubesiedelung von eingebrachten Steinen muss damit gerechnet werden, dass neu eingewanderte Arten sich schneller etablieren als die bisherigen. Dies führt zu einer Verarmung der bisherigen Arten.
– Sedimentierung und Verschmutzung: Die Bauarbeiten können zu einer Aufwirbelung von Sedimenten führen, die die Wasserqualität verschlechtern und photosynthetische Prozesse von Algen und Pflanzen stören. Außerdem ist eine Beeinträchtigung durch die Remobilisierung von Schwermetallen zu erwarten.
3 Rechtliche und politische Auswirkungen
Die Genehmigung dieses Projekts hätte weiterreichende rechtliche und politische Auswirkungen und könnte einen Präzedenzfall für zukünftige Entwicklungen in umweltsensiblen Gebieten schaffen.
– Präzedenzfall: Die Zulassung der Zerstörung geschützter Lebensräume für ein Projekt mit geringem öffentlichem Nutzen könnte die Wirksamkeit von Umweltschutzgesetzen untergraben. Es könnte ähnliche Projekte in anderen sensiblen Gebieten ermutigen, was zu einer kumulativen Umweltbelastung führen könnte.
– Politische Ausrichtung: Das Projekt widerspricht Deutschlands Verpflichtungen zur europäischen Green Deal-Strategie und seinen eigenen Klimaschutzzielen. Die Genehmigung des Projekts würde einen Rückzug von diesen Verpflichtungen signalisieren und die Glaubwürdigkeit der Umweltpolitik untergraben.
4 Fazit
Zusammenfassend unterstreichen die Argumente erhebliche Umweltrisiken und das Fehlen einer Rechtfertigung für das geplante Kabelverlegungsprojekt. Das Fehlen eines atypischen Falls, das geringe öffentliche Interesse und die unzureichenden Kompensationsmaßnahmen allein reichen aus, um den Antrag abzulehnen. Die Genehmigung des Projekts würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der Umweltschutzbemühungen untergraben und Klimaziele konterkarieren würde.
Die Verlegung eines Stromkabels vom Offshore-Windpark Riffgat zur Gasförderplattform N05-A birgt erhebliche Risiken für die Meeresumwelt, insbesondere für gefährdete Arten und empfindliche Ökosysteme wie Riffe. Die potenziellen Schäden durch Habitatzerstörung, Lärmemissionen und Sedimentierung sind nicht hinnehmbar und sollten zu einer Ablehnung führen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sandra Koch
Bevollmächtigte des LBU