Wasserrechtliche Genehmigung zur Verlegung eines Seekabels zur Versorgung der Gasförderplattform N05-A

Emden, 14.07.2024

An das NWKN

Widerspruch Kabeltrasse NLWKN_BI_2400714_bm_os

Wasserrechtliche Genehmigung zur Verlegung eines Seekabels zur Versorgung der Gasförderplattform N05-A

Erwidernd zum Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der wasserrechtlichen Genehmigung zur Verlegung eines Seekabels zur Versorgung der Gasförderplattform N05-A durch den Offshore Windpark (OWP) RIFFGAT gem. § 36 WHG i. V. m. §§ 83, 57 NWG der ONE Dyas B. V. möchte die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland e.V. Namens und mit Vollmacht des Landesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU) Niedersachsen e.V. folgende Punkte hervorheben:

  1. Politische Entscheidung

Sollte dem Antrag von ONE Dyas auf sofortige Vollziehung der Genehmigung nun kurzfristig stattgegeben werden, so wäre dies eine politische Entscheidung die lange vorbereitet wurde. Die Entwurfsgenehmigung vom 31.08.2022 sah eine Abhängigkeit der Kabelgenehmigung sowohl von einer Genehmigung des Gesamtprojektes in Deutschland als auch in den Niederlanden vor (§III.1). 12 Tage nach der Landtagswahl in Niedersachsen wurde am 21.10.2022 die Genehmigung erteilt. Nun allerdings ausschließlich mit der Abhängigkeit von der niederländischen Genehmigung des Projektes. So wurde vorbereitet das ONE Dyas auch ohne eine Genehmigung für den deutschen Teil des Projektes zumindest mit der Förderung auf niederländischer Seite beginnen kann. Aufgrund der seinerzeit der Öffentlichkeit nicht bekannten großflächigen Steinriffe die sich von den Borkumse Stenen am geplanten Plattformstandort bis weit nach Deutschland hinein erstrecken, war die Genehmigungsfähigkeit in Deutschland sehr fraglich. Dem NLWKN war aus seinen selbst beauftragten Studien zur taucherischen Erfassung, Analyse und Bewertung benthischer Biotope im niedersächsischen Küstengewässer vom November 2021, die der Öffentlichkeit aber erst ein halbes Jahr nach Ende der Einspruchsfrist im Planfeststellungsverfahren auf Druck von Greenpeace am 3.5.2023 zur Verfügung gestellt wurden die Existenz von Steinriffen im Umfeld der geplanten Kabeltrasse bekannt. Umso grotesker erscheint es aus heutiger Sicht warum man sich mit der von MarineSpace damals vorgelegten Meeresbodenuntersuchung die sich bei der Prüfung in Deutschland ausschließlich niederländischer Methoden bediente zufriedengegeben hat und nicht schon seinerzeit mit eigenen Untersuchungen das Gelände auf mögliche schützenswerte Lebensraumtypen geprüft hat. Auch ohne fachliche Kompetenz war es uns anhand der von MarineSpace in seinem Assessment gelieferten Karten mit einem einfachen Bildbearbeitungsprogramm möglich durch Anwendung der BfN Kartierungsanleitung für Riffe mit den Sonardaten eines Jahres eine erste Karte zu erstellen die das wahrscheinliche Vorkommen von Riffen H1170 im Bereich der Plattform und der Kabeltrasse zeigt.

Abb: Exemplarische grafische Auswertung nach BfN Kartierungsanleitung für Riffe H1170 zeigt schon nach Auswertung einiger Datenpunkte erste potentielle Riffe

Die dem NLWKN mittlerweile vorliegenden Studien belegen das großflächige Vorhandensein von Steinriffen beiderseits der Grenze. Diese Steinriffe qualifizieren die Fläche dafür in den FFH-Schutzgebietskader aufgenommen und an das Natura 2000 Gebiet Borkum Riffgrund angegliedert zu werden. Ohne ausführliche FFH-Prüfung kann der Bau der Kabeltrasse nicht endgültig genehmigt werden. Die Riffe unterliegen außerdem der Umwelthaftungsrichtlinie (vgl. §§ 4ff. USchadG) und in Deutschland dem gesetzlichen Biotopschutz gemäß § 30 BNatSchG.

  1. „Höchst vorsorgliche“ Antragstellung

– Wir möchten darauf hinweisen, dass es im deutschen Verwaltungsrecht keine „vorsorgliche“ Bescheiderteilung gibt. Entscheidungen zur Befreiung müssen auf konkreten Sachverhalten basieren.

– Wenn die Vorhabenträgerin der Meinung ist, dass die Maßnahme die geschützten Riffe nicht beeinträchtigt, fehlt die Grundlage für eine Befreiung nach § 67 BNatSchG.

– Die Vorhabenträgerin sollte klarstellen, ob sie von einer maßnahmenbedingten Zerstörung der Riffe unter Verwirklichung des Verbotstatbestands gem. § 30 Abs. 2 BNatSchG ausgeht oder nicht.

  1. Bewertung der Beeinträchtigung geschützter Biotope durch Kabelverlegung

Die geplanten Kabelverlegungsarbeiten für die Plattform N05-A im Windpark Riffgat könnten erhebliche Beeinträchtigungen für die Riffe und ihre Organismen verursachen. Der Offshore-Trencher vom Typ Helix T-1200 wird den Meeresboden auf einer Breite von mindestens 6 m mit seinem Kettenantrieb aufwühlen, was zu einer großen Fläche von zerstörtem Meeresboden führt. Zusätzlich werden hartgründige Baugründe entfernt, was die rifftypische Fauna gefährdet. Schadstoffe wie Blei und Quecksilber werden aus dem Sediment remobilisiert. Die ökotoxikologischen Auswirkungen müssen sorgfältig untersucht werden. Nach Abschluss der Bauarbeiten liegt zunächst kein Riff gemäß der Lebensraumtypenverordnung (LRT 1170) vor. Die langfristigen Folgen könnten erheblich sein, und die Inanspruchnahme kann nicht als „vorrübergehend“ betrachtet werden. Wissenschaftler des Senckenberg Instituts haben in einer Studie, die im Fachjournal „Estuarine, Coastal und Shelf Science“ erschienen ist ausgeführt, dass bis zum Ende des Jahrhunderts mehr als 60% der bodenlebenden Arten in der deutschen Bucht ihren Lebensraum durch die steigenden Meerestemperaturen und den sich ändernden Salzgehalt verlieren werden. Hauptursache dafür ist der durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern hervorgerufene Klimawandel. Ob sich unter diesen Voraussetzungen eine Wiederbesiedelung der Kabeltrasse innerhalb von einem Jahrzehnt tatsächlich vollzieht, muss stark in Zweifel gezogen werden. Weltweit sind die jährlichen Wachstumsraten von Riffen am abnehmen. Vermeintlich temporäre Schäden bleiben dauerhaft.

  1. Mangelndes Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 67 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 2 BNatSchG zur Erteilung einer Befreiung

– Die Vorhabenträgerin argumentiert, dass die Verlegung des Seekabels im öffentlichen Interesse liegt. Eine Befreiung von den Verboten zur Zerstörung geschützter Biotope sei daher gerechtfertigt.

– Die Energieversorgung der geplanten Gasförderung in der Nordsee ist jedoch nicht zwingend auf ein Seekabel angewiesen, das geschützte Riffe zerstören würde. Es könnte ebenso gut ein Kabel aus den Niederlanden an die Plattform angeschlossen oder die Plattform mit Generatoren die wiederum mit erneuerbaren Kraftstoffen CO2 -neutral betrieben werden versorgt werden. Die Plattform Sleipnier die die Produktionsplattform N05-A errichten soll verfügt schon über diese „klimaneutrale“ Energieversorgung. Ein Kabel aus Deutschland ist nicht nötig.

4.1 Beitrag des GEMS-Projekts

– Das Seekabel dient nur der Gasförderplattform N05-A, nicht dem gesamten GEMS-Projekt.

– One-Dyas versucht, den Beitrag zur Energieversorgung größer darzustellen, als er tatsächlich ist.

– Die Plattform N05-A wird keinen wesentlichen Beitrag (< 1 %) zur Versorgungssicherheit in Deutschland leisten.

– Die maximale Jahresproduktion wird nur in den ersten 3-4 Jahren erreicht und danach abnehmen.

4.2. Alarmstufe Notfallplan Gas / volle Speicher / Szenarien

– Die Alarmstufe des Notfallplans Gas ist weiterhin in Kraft, aber die Gasversorgung in Deutschland ist stabil.

– Die Förderung aus der Plattform N05-A trägt kaum zur Gasversorgung bei.

– Die gesetzlichen Ziele für die Füllung der Gasspeicher werden erfüllt (aktuell 84 Prozent).

– In den vergangenen Wintern war die Versorgungslage bereits entspannt.

– Der Bundeswirtschaftsminister hat am 31.3.2024 öffentlich festgestellt: „Die Energieversorgung ist in jeder Hinsicht sicher“.

4.3 LNG-Terminals

– Die Bundesregierung hat zur Absicherung der Gasversorgung eine Reihe von LNG-Terminals in Betrieb genommen.

– Diese Terminals, darunter Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin, haben eine Re-gasifizierungskapazität von jeweils etwa 5 Mrd. m³ Erdgas pro Jahr.

– Insgesamt ergibt sich eine Kapazität von rund 15 Mrd. m³ Erdgas.

– Weitere LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Mukran (anstatt Lubmin, aber mit höherer Kapazität) und Stade sind geplant.

– Auch landseitige Terminals in Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel sollen entstehen.

– Insgesamt rechnet die Bundesregierung mit einer dauerhaft verfügbaren LNG-Kapazität von mindestens 54 Mrd. m³.

– Angesichts dieser Entwicklungen ist der Beitrag von N05-A zur Energieversorgungssicherheit in Deutschland als gering einzuschätzen und irrelevant.

 4.4 Rückgang des Gasbedarfs

– Der Gasbedarf in Deutschland geht bereits zurück.

– Eine Studie des Öko-Instituts prognostiziert bis 2035 einen Rückgang des Gasverbrauchs um 28% bis 63% im Vergleich zu 2022.

– Sogar die Langfristszenarien des BMWK (Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz) bestätigen diesen Trend.

– Angesichts der stabilen Gasversorgungslage und der vorhandenen LNG-Kapazitäten ist eine zusätzliche Gasförderung aus N05-A für die Energieversorgungssicherheit nicht notwendig.

 

  1. Ergebnis

Im Ergebnis ist festzustellen, dass dem von ONE-Dyas eingereichten Antrag auf Erteilung einer Befreiung von den Verboten des gesetzlichen Biotopschutzes nicht stattgegeben werden kann.  Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 67 BNatSchG liegen nicht vor. Die Auswirkungen des Eingriffs sind unzureichend ermittelt, und die Einwirkungen wären erheblich und nicht kurz- oder mittelfristig kompensierbar. Zudem müsste der betroffene Bereich aufgrund von Riffvorkommen dem angrenzenden Natura-2000-Gebiet zugeordnet werden, was den Schutzstatus beeinflussen würde. Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung in Bezug auf den Verlust der LRT wurde nicht durchgeführt. Auch fehlt ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verlegung eines Stromkabels durch geschützte Riffgründe zur Stromversorgung einer Gasförderplattform. Alternativen ohne Biotopzerstörung wären möglich gewesen.

 

FAZIT: Die Voraussetzungen für die Anordnung einer sofortigen Vollziehbarkeit liegen nicht vor. Es handelt sich um ein Vorhaben, das irreversible Schäden für hochwertig geschützte Biotope verursachen würde. Unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen könnte das Projekt auch nach Abschluss der Überprüfung der Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren weiterverfolgt werden.