Flächennutzungsplan Oosterhorn

Erweiterung des Industriegebiets Oosterhorn um 400 ha: Die BI und die Stadt Borkum haben eine Stellungnahme  eingereicht.

Die niederländische Gemeinde Emsdelta (vormals Delfzijl) hat den “ ontwerpbestemmingsplan Oosterhorn“ (ähnlich zu Bebauungs- oder Flächennutzungsplan) in den Niederlanden veröffentlicht. Hier der Link zur Bekanntmachung: https://zoek.officielebekendmakingen.nl/gmb-2023-535301.pdf. Der Plan soll die Grundlage für die Vergrößerung des Industrieparks Oosterhorn bei Delfzijl auf 1.290 ha und für die Neuansiedelung von Betrieben der Schwerindustrie bis Kategorie 5.3 (alles außer Schwerölraffinerie und Atomkraftwerk) ermöglichen. Bei Realisierung der Pläne würde es zu einer Vervielfachung des Schadstoffaufkommens kommen. Umfangreiche Maßnahmen zur Emissionsreduktion werden nötig werden. Wie schwierig das tatsächlich durchzusetzen und zu erreichen sein wird sieht man an den langjährigen Klagen gegen das EEW Müllheizkraftwerk Delfzijl, gegen das die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland weiter gerichtlich vorgeht und schon etliche Verbesserungen in den Genehmigungen erreichen konnte . Es gab diese Pläne das Industriegebiet zu erweitern bereits 2017. Wir haben seinerzeit dagegen geklagt und der Plan wurde letztlich 2019 gerichtlich annulliert. Die Frist für Einwendungen lief bis zum 31.1.2024. Nach unserer Auffassung sollte es bei einem so umfangreichen Projekt in direkter Nähe zum Nationalpark niedersächsisches Wattenmeer und der deutschen Grenze – die BI hat ihren Sitz im 7 km entfernten Emden Wybelsum- eine Beteiligung der Öffentlichkeit in Deutschland geben. Die Betriebe, die dort angesiedelt werden sollen, sind zwar nach Wunsch aus der Kreislaufwirtschaft, das mach ihre Emissionen aber nicht ungefährlicher. Erst im Dezember haben wir eine Einwendung gegen die Genehmigung für eine Waste to Product Plant Anlage eingereicht, die in diesem Industriepark errichtet werden soll. Die Anlage soll nach Plan bis zu 25 kgHg/a emittieren. Für die Emissionen von Quecksilber über den Schornstein in die Luft ist ein Wert von 50 µg/Nm^3 angegeben. Hg ist ein besonders besorgniserregender Stoff (SVHC) für den insbesondere eine Minimalisierungspflicht gilt. Die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten aktuellen BVT- assoziierten Emissionswerte für Hg benennen für einen Langzeit-Probenahmezeitraum für neu zu errichtende Anlagen allerdings Werte von 1-10 µg/Nm^3. Wenn diese Emissionen realisiert werden, können signifikante Auswirkungen auch in Deutschland nicht ausgeschlossen werden. Die deutsche Öffentlichkeit muss darüber informiert werden und es muss die Möglichkeit zur Beteiligung gegeben werden. Die „Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit bei der Durchführung grenzüberschreitender Umweltverträglichkeitsprüfungen im deutsch-niederländischen Grenzbereich“ nach Espoo sieht das klar so vor. Selbst wenn die niederländischen Behördener das nicht für nötig halten würden, so könnten und sollten die deutschen Behörden diese Beteiligung einfordern. Dann muss sie auch erfolgen. Aus der Tatsache, dass eine Bürgerinitiative aus Emden gegen den Vorläuferplan geklagt hatte und dieser daraufhin annulliert wurde, ist die Betroffenheit sogar durch niederländische Gerichte offiziell festgestellt. Unsere Klage war seinerzeit erfolgreich, weil die Auswirkungen der Stickstoffemissionen auf die umliegenden auch deutschen Natura 2000 Gebiete nicht hinreichend betrachtet worden waren. Das versucht man mittlerweile durch eine neu erlassene Regel die den Untersuchungsraum auf einen Radius von 25 km einschränkt zu unterbinden. Borkum mit seinen stickstoffsensiblen Graudünen liegt in 27 km Entfernung.

Wie können wir die dringend nötige Beteiligung der deutschen Öffentlichkeit erreichen?

Emden ist als untere Naturschutzbehörde für die FFH-Gebiete und EU-Vogelschutzgebiete in der Umgebung zuständig, aber auf der homepage der Stadt gibt es keine Informationen zu dem Plan.

Für Eemshaven soll es wohl derzeit auch einen neuen Plan geben.

 

Stellungnahme_Flächennutzungsplan_Oosterhorn_BI_Borkum_os_240131

Zienswijze ontwerpbestemmingsplan Oosterhorn

 Sehr geehrte Damen und Herren,

die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland e.V. und die Stadt Borkum nehmen hiermit gemeinsam die Möglichkeit wahr, sich mit einer Stellungnahme zu den hier vorgelegten Plänen zu äußern. Die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland e.V. ist als bevollmächtigter Vertreter des Landesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen (LBU) zur offiziellen Stelle zur Entgegennahme von Mitteilungen und Abgabe von Erklärungen nach §38 NAGBNatSchG für den Bereich Emden benannt. In dieser Funktion beteiligen wir uns gerne mit dieser Stellungnahme an diesem Verfahren.

Die Bürgerinitiative sowie auch die Stadt Borkum hatten sich bereits 2017 mit einer Stellungnahme zum Plan Nr. 37302. beteiligt. Mit unserer Argumentation waren wir seinerzeit leider nicht durchgedrungen. Der Plan wurde verabschiedet und aufgrund unserer Klage dagegen schließlich 2019 annulliert.

Trotz der direkten Nähe des Plangebietes zur Stadt Emden, hat es dort keine Information der Öffentlichkeit oder Möglichkeit zur Beteiligung an diesem Verfahren gegeben. Auf Nachfrage unsererseits beim Amt für regionale Landesentwicklung Weser-Ems, welches die Funktion der niedersächsischen Anlaufstelle im Rahmen von grenzüberschreitenden Umweltprüfungen wahrnimmt teilte man uns erstaunt mit, man sei von niederländischer Seite gar nicht informiert worden. Ebenso konnte uns beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg niemand Auskunft dazu erteilen. In Umsetzung der europäischen Rechtvorschriften regelt die „Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit bei der Durchführung grenzüberschreitender Umweltverträglichkeitsprüfungen im deutsch-niederländischen Grenzbereich zwischen dem Ministerium für Infrastruktur und Umwelt der Niederlande und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland“, in welchen Fällen die zuständigen benachbarten Behörden zu informieren sind. Bei Vorhaben mit weniger als fünf Kilometern Entfernung zur Grenze, bei denen im Ursprungsland eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird, sollen die Behörden des Nachbarlandes immer informiert werden (§7.1). Bei zu erwartendem Interesse der Öffentlichkeit im Nachbarland und wenn grenzüberschreitende Auswirkungen auf die deutsche Umwelt nicht auszuschließen sind, soll es eine gleichwertige Beteiligung der Öffentlichkeit des Nachbarlandes geben. Dabei ist nach der Erklärung lediglich die Übersetzung der Zusammenfassung des UVB nicht ausreichend, sondern es sollen ebenfalls die Übersetzung der Zusammenfassung der vorzulegenden Unterlagen sowie weiterer bedeutsamer Unterlagen, speziell auch zu grenzüberschreitenden Auswirkungen, zum Verfahren veröffentlicht werden. Des Weiteren soll für vorhandenes Kartenmaterial die Legende übersetzt werden.

Das Plangebiet ist nur rund 1,5 km vom deutschen FFH-Gebiet 002 „Unterems und Außenems“ entfernt. Innerhalb des Plangebietes sollen Betriebe der Schwerindustrie mit Ausnahme von Atomkraftwerken und Öl-Raffinerien massiv ausgebaut werden. Grenzüberschreitende Umweltauswirkungen lassen sich bei ernsthafter Betrachtung hier sicherlich nicht von vornherein sicher ausschließen. Das Interesse der deutschen Bevölkerung zu den Entwicklungen im Plangebiet war in der Vergangenheit stets vorhanden. Vielfach wurde in der deutschen Presse darüber berichtet das Bürger sich für die Schadstoffauswirkungen aus Unternehmen in Oosterhorn interessieren und sich Sorgen machen über Chlorgas Zwischenfälle, Blazer mit großen Mengen an Schwermetall und PAK belasteten Stäuben, asbestähnlichen Fasern die nachweislich mehrere zehn Kilometer mit der Luft transportiert werden und Quecksilberemissionen aus der Verbrennung von britischem Müll. Das niederländische Gericht, welches den letzten Bestemmingsplan annullierte, hat klar bestätigt das die Sorgen aus Deutschland von Belang sind. Dementsprechend sollte es bei einem neuen Plan auch eine geleichwertige Beteiligung der Öffentlichkeit in Deutschland geben.

Nach Durchsicht der deutschen Zusammenfassung müssen wir feststellen, dass auf Basis dieser Unterlagen quasi keine qualifizierte Stellungnahme möglich ist. Die Beschreibung der Umweltauswirkungen beschränkt sich lediglich auf den Vergleich zwischen zwei Entwicklungsszenarien. Dabei wird für das Thema Natur geschlussfolgert: „Die Entwicklung der Industrie am Oosterhorn führt zu negativen Auswirkungen, beispielsweise durch Raumbeanspruchung und Störungen. Die Alternativen sind nicht unterscheidungskräftig. Zur Umsetzung des Plans sind Maßnahmen erforderlich, wie z. B. die Durchführung von Bauarbeiten außerhalb sensibler Zeiten, der Einsatz lärmdämmender Maßnahmen und die Realisierung alternativer Wachstums- oder Lebensräume.“;

für die Luftqualität: „Es liegen keine Normüberschreitungen vor, die Schadstoffwerte in der Luft liegen deutlich unter den gesetzlichen Grenzwerten. Infolge der industriellen Entwicklung ist jedoch die Zahl der Menschen, die NO2 ausgesetzt sind, gestiegen. Die Alternative Graues Wachstum unterscheidet sich bei diesem Thema nicht von der Alternative Grünes Wachstum.“; und zu Wasser: „Infolge der Zunahme der Industrie treten Risiken auf hinsichtlich der Oberflächenwasserqualität und der Grundwasserqualität. Ausgehend von den vorliegenden Kennzahlen für die Industrie werden geltende Normen übertroffen. Geltende Gesetze und Vorschriften verhindern eine Verschlechterung der Wasserqualität. Zur Umsetzung des Plans werden voraussichtlich Maßnahmen erforderlich sein. Diese Maßnahmen können durch das aktuelle Genehmigungssystem erzwungen werden. Es werden keine (erheblichen) Auswirkungen auf die Oberflächenwassermenge, die Grundwassermenge und die Wassersicherheit erwartet.“

 

Beim Thema Nachhaltigkeit wird es besonders wenig nachvollziehbar: „Die Alternative Graues Wachstum schneidet hier besser ab als die Alternative Grünes Wachstum.“ Es ist stark zu vermuten, dass es sich hierbei um ein Missverständnis handelt.

Schließlich kommt man zu der Aussage: „Der VA verhindert oder begrenzt die negativen Auswirkungen der alternativen grauen und grünen Szenarien so weit wie möglich. Hinsichtlich der Alternativen Grünes und Graues Wachstums werden Maßnahmen ergriffen. Diese Maßnahmen begrenzen die Auswirkungen auf die Themen Wasser, Geruch und äußere Sicherheit.“

Die Vorzugalternative wird aber nur insofern beschrieben, als das sich bei dieser Variante die anzusiedelnden Unternehmen an die gesetzlichen Bestimmungen halten müssen. Diese Schlussfolgerungen sind in verharmlosender Weise unzureichend.

Allerdings kommt man in der Effektbewertung der Vorzugsalternative zum Thema Natur zu der Aussage: „Insgesamt lässt die VA keine Entwicklung weiterer Schwerindustrie zu.“ Diesem Resümee können wir uns anschließen.

 

Es fehlt in der Zusammenfassung jegliche Aussage zu Emissionen der Schwerindustrie z. B. in Bezug auf Stickstoff und Schwermetalle. Genauso fehlen Aussagen zu Auswirkungen auf deutsche Gebiete und speziell auf deutsche Natura 2000 Gebiete.

 

In der „Passende Beoordeling“ wird ausgeführt, dass zur Überprüfung, ob es durch den Plan in deutschen Natura 2000 Gebieten zu erhöhten Stickstoffbelastungen kommen kann, das in Deutschland etablierte Verfahren zur Anwendung kommt. Diese Analyse wird allerdings mit dem niederländischen Simulationstool AERIUS durchgeführt. Dabei fällt auf Anhieb auf, dass bei dieser Simulation anscheinend hauptsächlich der Abstand zur Emissionsquelle und die Windrichtung eine Rolle spielen. Es muss angezweifelt werden, dass das Tool überhaupt für die Beurteilung mariner Lebensräume geeignet ist. Eine Deposition, die an einem bestimmten Ort stattgefunden hat, befindet sich schon nach sechs Stunden an einem ganz anderen Ort im Emsästuar in einem anderen Habitat-Typ wieder. Die Hintergrunddeposition in diesem Gebiet soll laut „Passende Beoordeling“ 700 – 800 mol N/ha/Jahr betragen. Die Hintergrundbelastungsdaten für Stickstoff des Bundesumweltamtes zeigen allerdings mit 19 bis 21kg N/ha/a eher doppelt so hohe Werte an. Die hier durchgeführte Prüfung entspricht nicht wissenschaftlichen Standards. Auffallend ist auch, dass bei der Überprüfung des EU-Vogelschutzgebietes V60 und des FFH-Gebietes 173 Hund und Paapsand der Berechnungspunkt CP.2 an einer zur Beurteilung falschen Stelle in maximaler Entfernung innerhalb der Schutzgebietsgrenzen von der Emissionsquelle platziert wurde. Da das Gebiet in direkter Nähe zum Plangebiet beginnt, ist hier mit tatsächlich deutlich höheren Depositionswerten zu rechnen.

Der Lebensraumtyp 1140, der in FFH Gebiet 173 auch unter dem § 30 BNatSchG unter Schutz steht, ist besonders empfindlich gegenüber Nährstoff- und Schadstoffeinträgen. Es besteht die Gefahr des Auftretens von sog. „Schwarzen Flecken“. Auf dem Hund und Paapsand wurden 2019 bei Untersuchungen des NLWKN Seegrasbestände in Einzelvorkommen und in lockerem Bestand vorgefunden. Seegrasbestände befinden sich sonst zum überwiegenden Teil im Gebiet des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer und werden im Gesetz zum Nationalpark als „besonderes Erhaltungsziel“ der Wattgebiete genannt. Seegras produziert Unmengen an lebenswichtigem Sauerstoff. Außerdem sind die Unterwasserwiesen Hotspots der Biodiversität. Sie schützen Küsten vor Zerstörung, reinigen und filtern das Meerwasser, reduzieren die Ozean-Versauerung. Seegräser sind jedoch sehr empfindlich gegenüber einer Reihe von Umweltparametern. Sie reagieren besonders stark auf zu hohe Stickstoffeinträge. Zu viele Nährstoffe, die in erster Linie über Flüsse ins Meer eingetragen werden, bedeuten eine Überdüngung des Wassers und bringen eine Fülle von negativen Konsequenzen für das gesamte Ökosystem mit sich. Auf Seegras wirken die vielen Nährstoffe direkt giftig.

Zu den Hauptsächlichen Erhaltungszielen des Schutzgebietes Hund- und Paapsand gehört laut Schutzgebietsverordnung die Wiederherstellungsverpflichtung des Teilaspektes Seegras aufgrund des Verschlechterungsverbots. Konkretisierung: Das Ziel für die Besiedlung des Hund- und Paapsandes muss sein, den ursprünglichen Zustand einer großen, zusammenhängenden Seegraswiese als charakteristisches wertbestimmendes Element des FFH-Lebensraumtyps 1140 wiederherzustellen. Dabei sollen die Referenzwerte der Wasserrahmenrichtlinie angehalten werden, da in diesem Rahmen das Monitoring für den Makrophyten Seegras erfolgt. In diesem Fall sind Lebensraumtyp-Flächen mit qualitativ funktionaler Besonderheit betroffen, so dass eine Einzelfallbeurteilung der Empfindlichkeit auf Stickstoff erforderlich und möglich ist (siehe Stickstoffleitfaden BImSchG-Anlagen). Für (FFH-Gebiet 002) gehören Flussneunauge (Lampetra fluviatilis) und Finte zu den wertbestimmenden Arten.  Zu ihrem Schutz gehört die Gewährleistung einer ungehinderten Durchwanderbarkeit des Ästuars zwischen dem marinen Aufwuchsgebiet und den Laichplätzen stromaufwärts zu den Zielen des Schutzgebietes.

Die Erhaltung eines physiko-chemischen Gewässerzustandes (Sauerstoffgehalte, Schwebstoffgehalte, stoffliche Belastungen), der weder aufsteigende Laichtiere noch abwandernde Jungtiere beeinträchtigt. Konkretisierung: Der Sauerstoffgehalt darf zu keiner Zeit den Wert von 4 mg/L Wassersäule unterschreiten, so dass die Durchwanderbarkeit für die Neunaugen gewährleistet ist. Dieses Ziel ist nur zu erreichen wenn ein weiteres durch Stickstoff begünstigtes  Algenwachstum verhindert wird.

2019 wurden auf dem Rysumer Nacken 19 Einzelvorkommen von Zostera noltei kartiert. Das FFH-Gebiet 002 „Unterems und Außenems“ ist also nicht wie in der „Passende Beoordeling“ ausgeführt Stickstoffunsensibel. Bei Ästuaren 1130 handelt es sich um einen FFH-Lebensraumtyp mit Priorität für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen in der niedersächsischen Biodiversitätsstrategie („Prioritätenlisten der Arten und Lebensraumtypen mit besonderem Handlungsbedarf“ nach NIEDERSÄCHSISCHER LANDESBETRIEB FÜR WASSERWIRTSCHAFT, KÜSTEN- UND NATURSCHUTZ 2012-2). Wichtigste Gefährdungsfaktoren für den Erhaltungszustand sind u.a. die Fahrrinnenvertiefungen, Schad-, Nährstoff- und Wärmeeinträge. Während der Sommermonate kommt es zu Phasen mit ausgeprägten Sauerstoffdefiziten und damit erheblichen Auswirkungen auf die Fischfauna. Nach VON DRACHENFELS (2012: 29 ff.) handelt es sich hier um ein gegen übermäßige Nährstoffeinträge empfindliches Meeres- und Ästuarbiotop.

Im Rahmen neuester Forschungsergebnisse scheint der ganze Ansatz der hier durchgeführten Vorprüfung sehr fragwürdig und nicht hinreichend detailliert zu sein. In einem bei European Geosciences Union 2022 veröffentlichten Artikel  “Suspended particulate matter drives the spatial segregation of nitrogen turnover along the hyper-turbid Ems estuary Gesa Schulz et al.” (https://bg.copernicus.org/articles/19/2007/2022/#abstract) wird dargestellt, dass die biogeochemischen Stickstoffkreisläufe für das Entstehen von Sauerstoffdefiziten im Emsästuar von entscheidender Bedeutung sind. Die Forscher fanden heraus, dass entlang der Flussmündung drei verschiedene biogeochemische Zonen existieren in denen unterschiedliche komplexe biochemische Prozesse die den Stickstoffkreislauf betreffen ablaufen. Der Eintrag von Stickstoff in diese Zonen hat entscheidenden Einfluss auf das gesamte ökologische Gleichgewicht des Emsästuars. Trübung, Verschlammung und eine verstärkte Lachgasproduktion die die sauerstoffarmen Zonen verstärken, was im Emsästuar bereits beobachtet wird, sind die Folge. Der hier diskutierte Plan betrifft alle drei dieser Zonen. Damit wird offensichtlich, dass eine einfache Depositionssimulation der Komplexität der Stickstoffproblematik in den marinen Lebensräumen des Emsästuars nicht gerecht wird.

 

Im Bericht zum Thema Wasser sind Stoffe aufgelistet, die in den letzten Jahren zu teilweise erheblichen Grenzwertverletzungen bei Wasserqualitätsmessungen im Eemskanal und im Eems-Dollard-Gebiet geführt haben. Darunter: Cd, Co, Cr, Cu, Zn, PAK6, TBT, ΣB(ghi)In , Thallium, Vanadium, Ntot und P-tot.

Für viele Stoffe, wie zum Beispiel Schwermetalle gibt es keine verbleibende Differenz zwischen Ist-Zustand und den Grenzwerten der aktuellen Umweltnormen. Außerdem gibt es für Quecksilber ein in der EU beschlossenes phasing out Ziel bis 2028, welches in den nächsten Jahren in Nationales Recht umzusetzen ist, aber schon jetzt in der EU Rechtsprechung Anwendung findet. Darüber hinaus haben die Niederlande 2013 die Minamata Konvention unterzeichnet.

Dementsprechend gibt es für Unternehmen die derartige Schadstoffe emittieren keinen potenziell verfügbaren Umweltnutzungsraum. Der Flächennutzungsplan muss solche Betriebe aus dem Plan ausschließen. In der Strukturvision Eemsmond Delfzijl wird beschrieben, dass die Provinz Groningen gewillt ist, die durch die Konzentration von Industrie am Emsdelta entstandene hohe Umweltbelastung billigend in Kauf zu nehmen, und auch weitere Umweltbelastungen zu tolerieren, weil dadurch im Gegenzug im übrigen Gebiet der Provinz eine geringere Umweltbelastung zu erwarten sei.

Dieser Ansatz ist fundamental falsch, denn im Gegensatz zum überwiegenden Teil der Provinz Groningen beinhaltet das Emsdelta Naturräume von internationaler Bedeutung. Das spiegelt sich auch in der Ernennung zum Weltnaturerbe wieder. Beim größten Teil der Gebiete handelt es sich um FFH und EU-Vogelschutzgebiete, die sowohl prioritäre Lebensräume als auch prioritäre Arten enthalten. Aufgrund der schon vorhandenen hohen Umweltbelastung in diesen Gebieten können zusätzliche Belastungen nur nach ausführlicher FFH- Prüfung genehmigt werden und es gilt das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie. Bei vorherrschenden Süd-Süd-Westwinden wird die Deposition von Schadstoffen in Deutschland bewusst in Kauf genommen.

 

Für das grüne Szenario werden zusätzliche Schwermetallemissionen von ca. 7600kg pro Jahr erwartet. Darunter auch 6kg Hg und 155kg PAK6. Das wird zu einer deutlichen Verschlechterung der Oberflächenwasserqualität führen. Als Gegenmaßnahme ist eine Verdünnung geplant. Im Weiteren führt man aus, dass jedes Einzelprojekt dann noch eine eigene Genehmigung benötigt und das man sich an alle gesetzlichen Bestimmungen halten muss, dann würde von der Umwelt jeglicher Schaden abgewendet. Dieser Ansatz ist völlig unzureichend!

Die Grundbelastung mit Schwermetallen im Emsästuar ist schon jetzt viel zu hoch. Es gibt gut dokumentierte Auswirkungen von Schwermetallen im Untersuchungsgebiet.

Das Quecksilber-Monitoring von Flussseeschwalbeneiern in Delfzijl ergab in 2012 Werte von 422,5 +/- 140,7ng Hg/g und 369,4 +/-120,84ng Hg/g in 2013 (SCHEIFFARTH 2015-1).

Damit wurde in 2013 der „level of concern“ (200ng/g) deutlich überschritten und in 2012 die Toxizitätsgrenze von 500ng/g signifikant überschritten (USEPA (UNITED STATES DEPARTMENT OF THE INTERIOR et al. (1998: 93)).

Das bedeutet das Fortpflanzungsschäden und subletale Auswirkungen auf die prioritäre Art Flussseeschwalbe nicht ausgeschlossen werden können. Desweiteren bestätigt die Nationalpark Verwaltung das die Quecksilberbelastung in Flussseeschwalbeneiern seit 2008 signifikant und statistisch gesichert ansteigt (SCHEIFFARTH 2015-1). Seit dem sind die zusätzlichen signifikanten Belastungen durch die Emissionen des RWE Kohlekraftwerks in Eemshaven und die Emissionen von EEW dazugekommen.

Die nach Plan zusätzlich zu erwartenden Einleitungen von Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) wirken ebenfalls karzinogen, gentoxisch und reproduktionsverschlechternd.

Eine zusätzliche Einleitung dieser nach dem grünen Szenario zu erwartenden Schadstoffmengen ist absolut nicht mit den FFH-Richtlinien und der Wasserrahmenrichtlinie zu vereinbaren.

Der Omgevingsdienst Groningen führt in seinem Advies Lucht aus, dass bei Metallen, insbesondere bei Cd und Ni die Konzentrationen relativ hoch sind und dass die Hintergrundkonzentration von Quecksilber im Wattenmeer ebenfalls relativ hoch ist. Demnach würde auch eine weitere Erhöhung der Quecksilberbelastung um 1,5% zu keiner großen Belastung führen. Die zusätzlichen Schwermetallemissionen sollen dementsprechend keine Risiken für sensible Naturwerte darstellen. Dieser Analyse und Bewertung ist falsch. Schon in der Herleitung dazu fallen etliche Fehler auf. Um die bestehende Hintergrundbelastung herzuleiten bezieht man sich darauf, dass die meisten Quecksilberemissionen im Ems Dollart Ästuar von RWE Eemshaven ausgestoßen werden und gibt dabei einen Wert von 50kgHg/a an. Die Genehmigung von RWE gibt allerdings einen Wert von 95kgHg/a an und im Jahr 2019 wurden nach Angaben von RWE 88kgHg ausgestoßen. Das ist fast doppelt so viel. Im Weiteren leitet man dann aus den Unterlagen vom RWE Genehmigungsverfahren ab, dass daraus eine Deposition von 4,6mgHg/ha resultiert. Diese Berechnungen waren schon damals falsch. ARCADIS (2014: 36) begingen seinerzeit einen gravierenden Fehler: Für die Berechnung der Deposition in ihrem damaligen Modellgebiet, dem das Natura 2000-Gebiet nur bruchteilartig angehörte, legten die Gutachter die gesamte Natura 2000-Gebietsfläche zugrunde (354.600 ha) die ein Vielfaches größer ist als das Modellgebiet für die RWE UVP war. Dadurch gelangten sie zu 4,6 mg/ha. Der wahre Wert wird deutlich größer sein. (https://www.stadt-borkum.de/PDF/Kritik_des_Quecksilbergutachtens_f%C3%BCr_das_Kohlekraftwerk_Eemshaven_von_ARCADIS_vom_13_11_2014.PDF?ObjSvrID=3480&ObjID=349&ObjLa=1&Ext=PDF&WTR=1&_ts=1685954431) Dieser Fehler wird seither in allen Dokumenten falsch übernommen. Das führt zu einer deutlichen Verharmlosung der tatsächlichen Quecksilberbelastung.

Auch in den Unterlagen zum Flächennutzungsplan Oosterhorn fallen wieder Ungereimtheiten auf. Mal hält sich Quecksilber besonders lang in der Luft und wird erst in fernen Gebieten deponiert, aber im laufenden Genehmigungsverfahren zu EEW Delfzijl kommt ARCADIS zu dem Schluss, dass die höchste Deposition von Hg in der unmittelbaren Umgebung von EEW stattfindet.

Die Qualität dieser Analysen und Bewertungen muss nach wissenschaftlichen Maßstäben stark in Frage gestellt werden.

 

Konsequenz: Der Flächennutzungsplan muss Industrieanlagen, die weitere Schwermetallemissionen oder Stickstoffemissionen verursachen, aus der Planung explizit ausschließen. Nach unserer Auffassung ist der Plan in seiner jetzigen Form nicht genehmigungsfähig und würde wohl einer erneuten gerichtlichen Prüfung wieder nicht standhalten.

 

Die Bürgerinitiative und die Stadt Borkum bitten darum weiterhin am Verfahren beteiligt zu werden.