KOcKKohle für die Welt – Besucher
aus Kolumbien berichteten Erschütterndes
Mit
Wollpullover und Jacke sitzt Ashcayra Arabadora im Emder Café Henri’s an seinem
Laptop und zeigt auf einer Leinwand Bilder von zu Hause: inmitten tropischer
Vegetation steht eine große Gemeinschaftshütte, in der bis zu 300 Personen
gemeinsam wohnen und in dicht gedrängten Reihen von Hängematten schlafen.
Arabadora ist ein Vertreter der Bari-Indigenas, eines indianischen Volkes in
der Region Catatumbo im Norden Kolumbiens. Neben ihm sitzen Juan Carlos
Quintero, Vertreter einer Kleinbauernorganisation in Catatumbo, und die
Juristin Judith Maldonado, Direktorin der kolumbianischen
Menschenrechtsorganisation Colectivo de Abogados Luis Carlos Pérez. Was sie
verbindet und gemeinsam Europa bereisen lässt, ist die Tatsache, dass das
Stammesgebiet der Bari und die Ländereien der Kleinbauern von Catatumbo auf
großen Steinkohlevorkommen liegen. Was dies für ihre Zukunft bedeutet und
welche Konsequenzen es jetzt schon hat, davon möchten sie berichten. Und so
sind sie nun am vergangen Freitag auf Einladung des Kreisverbandes von Bündnis
90/Die Grünen im kalten Emden, wo in nicht allzu ferner Zukunft genau diese
Kohle angelandet werden könnte, sollte sich der dänische Konzern DONG mit
seinen Plänen für ein Kohlekraftwerk an der Knock durchsetzen.
Was die drei
kolumbianischen Gäste berichten, übersetzt von der Soziologin Bettina Reis von
der Informationsstelle Lateinamerik in Bonn, macht die etwa 20 Zuhörer
betroffen. Die Bari haben bereits Erfahrumg mit einem anderen Rohstoffreichtum
ihres Stammesgebietes: 1930 wurde in Catatumbo mit der Förderung von Erdöl
begonnen mit der Folge, dass dieses indigene Volk bereits 1960 90% seines
Territoriums verloren hatte. Bei der Vertreibung wurden auch Bombardierungen
eingesetzt. Vom Reichtum des Öls bekommt die Region jedoch wenig zu sehen. Auch
heute noch gibt es dort kaum befestigte Straßen, nur die Kreishauptstadt Tibu
verfügt über ein öffentliches Elektrizitätsnetz.
Nach einer
längeren Phase relativer Sicherheit kommt es 1999 erneut zu einer
Verschlechterung der Situation. Paramilitärs tauchen in der Region auf –
bewaffnete Gruppen, die die Interessen der Großgrundbesitzer vertreten. Seitdem
kommt es zu immer häufigeren Ermordungen von Kleinbauern. Hintergründe sind der
Ausbau von Ölpalmenplantagen – und die Exploration der genannten
Kohlevorkommen.
Juan Carlos
Quintero berichtet von einer weiteren Katastrophe für die Landbevölkerung:
Herbizideinsätze aus der Luft gegen Kokaanbau zerstören weitflächig
kleinbäuerliche Felder sowie die Vegetation in den Rückzugsgebieten der Bari
und führen zu Gesundheitsschäden in der Bevölkerung. Dabei ist es in der Region
ein offenes Geheimnis, dass sich insbesondere die Paramilitärs aus
Rauschgifthandel finanzieren. Der Emder Grünen-Vorsitzende Burkhard Remppis
hakt nach: Ob denn der Kampf gegen Drogen letztlich mehr als Vorwand diene, um
mit Hilfe der Herbizideinsätze die kleinbäuerliche Bevölkerung zu vertreiben.
Quintero bestätigt und untermauert diese Einschätzung mit der Tatsache, dass
sich der Drogenanbau in der Region trotz des Herbizideinsatzes in den letzten
Jahren verzehnfacht habe.
Warum diese
Vertreibungen stattfinden, macht Judith Maldonado klar: Sie zeigt mit Bildern
der kolumbianischen Kohlemine von Cerrejon, der größten Kohlemine der Welt,
welche riesigen Flächen durch bei einem Kohletagebau verloren gehen. Hinzu
kommt die Absenkung des Grundwasserspiegels im weiten Umland aufgrund der Tiefe
der Grube. Im Fall von Cerrejon beträgt diese 150-200m. Die Kohlevorkommen in
Catatumbo sollen diejenigen von Cerrejon noch übertreffen. Da ist der
Landkonflikt vorprogrammiert. Allein seit 2006 wurden 66 Campesinos
(Kleinbauern) in Catatumbo ermordet, berichten die Gäste aus Kolumbien. Erst
vor ein paar Tagen erreichte sie auf ihrer Reise die Nachricht, dass drei
weitere bekannte Vertreter der Kleinbauern getötet wurden.
Was man denn
tun könne, möchte eine der Zuschauerinnen wissen. Juan Carlos Quintero
antwortet, dass es das Ziel ihrer Reise sei, ihre Situation möglichst weit
bekannt zu machen in Europa, damit die Menschenrechtsverletzungen in Catatumbo
nicht mehr im Stillen vonstatten gehen können und den Menschen in Europa die
globalen Zusammenhänge beim Handel mit Kohle deutlich wird. Deutschland ist
dabei ein besonders wichtiges Land, bezieht es doch 10% der kolumbianischen
Kohle.
Auf dem Reiseplan der kleinen
kolumbianischen Delegation stehen als nächstes Dörpen im Emsland und Kopenhagen
an. Dies nutzt Burkhard Remppis, um am Schluss der Veranstaltung den Besuchern
eine Botschaft mitzugeben in das Land des dänischen Investors DONG: „Bitte
richten Sie in Kopenhagen aus, dass der Großteil der Menschen in Ostfriesland
das geplante DONG-Kraftwerk nicht will.“ Susanne Gersema von der BI Saubere
Luft Ostfriesland gab ihnen dazu druckfrische Faltblätter der gegen das
Kohlekraftwerk gerichteten Bürgerinitiative mit auf den Weg.
ohle für die Welt – Veranstaltung 8.11.2008
Kohle für die Welt – Veranstaltung 8.11.2008ohle für die Welt – Veranstaltung 8.11.2008