Angst um Freizeitwert – Emden sperrt sich gegen Kohlekraftwerk

Hannoversche Allgemeine vom 18.03.2008
Angst um Freizeitwert – Emden sperrt sich gegen Kohlekraftwerk

In Wilhelmshaven, Stade und Dörpen sind es die Anwohner, die gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke auf die Barrikaden gehen. Am geplanten Kraftwerksstandort Emden hat jetzt Oberbürgermeister Alwin Brinkmann eindeutig Position bezogen.

 
Wegen des Kohlekraftwerks fürchtet Emden um seinen Freizeitwert.

„Ein Kohlekraftwerk ist für unsere Region nicht dienlich“, sagt Brinkmann. Die Stadt ist im Raumordnungsprogramm des Landes allerdings als Standort für ein Großkraftwerk vorgesehen. Emden entziehe sich nicht der Verantwortung, betont der SPD-Politiker. Als Alternative schlägt er ein modernes Gas- und-Dampf-Kraftwerk vor. Immerhin endeten drei Gaspipelines aus Norwegen in Ostfriesland, sagt Brinkmann.

Der Oberbürgermeister fürchtet um das Image seiner Stadt. „Emden ist die regenerative Region im Norden“, sagt Brinkmann. Zwei große Windkrafthersteller – Enercon und Bard Engineering – produzierten hier und beschäftigten mehrere Tausend Arbeitnehmer. Außerdem sei Emden eine Stadt mit hohem Freizeitwert. Das Henri Nannen Museum, die Emder Kunsthalle und die Johannes a Lasco Bibliothek zögen immer mehr Besucher an. „Da passt ein Kohlekraftwerk mit seinen Staub- und Kohlendioxidemissionen nicht.“

Nach Angaben des Umweltministeriums in Hannover will der dänische Energiekonzern Dong Energy auf dem Gelände des Wybelsumer Polders ein Kohlekraftwerk mit zwei Blöcken von jeweils 800 Megawatt Leistung bauen. Ein Unternehmenssprecher von Dong Energy betont hingegen, Art und Größe stünden noch nicht fest. „Wir machen Voruntersuchungen und hoffen, dass wir das Projekt in Emden realisieren können.“

Die Hafengesellschaft Niedersachsen Ports würde den Bau begrüßen. Sie hat mit dem Stromkonzern einen Optionsvertrag für ein 370 000 Quadratmeter großes Grundstück abgeschlossen. Als Baubeginn sei 2012 vorgesehen, 2015 könne das Kraftwerk ans Netz gehen, heißt es. „Dong Energy ist ein interessanter Partner für uns, jährlich würden eine bis 1,5 Millionen Tonnen Kohle im Emder Hafen umgeschlagen“, sagt Sprecher Berend Snippe.

Oberbürgermeister Brinkmann weiß, dass die regionale Wirtschaft seinen Kurs nicht unterstützt. Mit mehr als zehn Prozent Arbeitslosen könne es sich die Stadt nicht leisten, leichtfertig ein industrielles Großprojekt abzulehnen, räumt er ein. Hinzu komme, dass Emden künftig von Kohlekraftwerken umzingelt werde. In Dörpen im Emsland, in Wilhelmshaven, Stade und im nahen Eemshaven sollen neue Anlagen gebaut werden.

„Wir sind eingekesselt, so ein Schornstein streut ja nun mal locker 100 Kilometer“, sagt Brinkmann. Aber er sagte unter Abwägung aller Interessen dennoch Nein zur Kohleverstromung in Emden. Das letzte Wort hat allerdings der Stadtrat. Dort kann Brinkmann auf die Unterstützung der SPD-Mehrheit sowie von Grünen und Linken hoffen.

In Hannover dürfte Brinkmanns Position auf Unverständnis stoßen. Die Landesregierung begrüßt die Kohle-Pläne der Stromkonzerne – trotz Klimadebatte und heftiger Proteste der Anwohner. Brinkmann ist dennoch zuversichtlich. „Wenn der politische Wille nicht da ist, tun sich die Unternehmen schwer“, sagt er. Außerdem setze er auf das Wort von Ministerpräsident Christian Wulff. Dieser habe im Wahlkampf gesagt, wenn Emden kein Kohlekraftwerk wolle, bekomme die Stadt auch keines.

von Margit Kautenburger

Veröffentlicht am 18.03.2008 19:57 Uhr