OSTFRIESEN ZEITUNG 15.05.2008 ( jay) Die Politiker aus Ostrhauderfehn kommt gerade von Gesprächen in Washington zurück. Er erwartet, dass die nächste US-Regierung mehr Augenmerk auf die Umweltpolitik legen wird. Aber auch Europa habe noch viele Hausaufgaben zu erledigen. Der Emissionshandel habe im ersten Anlauf nicht funktioniert.
OZ: Herr Groote, Sie kommen gerade aus den USA zurück und haben mit ihren Kollegen über das Thema Klima geredet. Tut sich endlich was in den USA?
Matthias Groote: Wir haben mit den Senatoren Joe Lieberman, John Warner und Jeff Bingaman gesprochen und festgestellt: Es tut sich was. Ich gehe davon aus, dass spätestens nach den Präsidentschaftswahlen auch in den USA ein Emissionshandel eingeführt wird.
OZ: Das sagen Politiker immer: Es wird sich vielleicht etwas tun . . .
Groote: . . . aber diesmal ist das anders. Alle drei Präsidentschaftskandidaten legen ein sehr starkes Augenmerk auf das Thema Klimawandel. Wir haben in unseren Gesprächen festgestellt, dass alle Parteien Angst vor dem Klimawandel haben. Die Wissenschaft findet mehr Gehör, es setzt sich die Erkenntnis durch, dass etwas getan werden muss. Die Amerikaner wissen, dass spätestens in Kopenhagen ein Nachfolger für das Kyoto-Protokoll auf den Weg gebracht werden muss.
OZ:
Eigentlich können Sie als Europäer mit breiter Brust mit Ihren amerikanischen Kollegen sprechen, weil Europa beim Umweltschutz weit vorn ist, oder?
Groote: Eigentlich nicht, denn wir sind nicht so gut in der Bekämpfung des Klimawandels, wie wir uns das wünschen. Die erste Periode des Emissionshandels in Europa war nicht sehr berauschend. Es sind zu viele Zertifikate kostenlos ausgegeben worden. Die Stromkonzerne haben diese Zertifikate eingepreist . . .
OZ: . . . zu deutsch: Die Konzerne haben sie geschenkt bekommen und die Verbraucher trotzdem dafür zahlen lassen.
Groote: Genau. Das hat die Europäische Kommission zum Anlass genommen, in der nächsten Periode die Zertifikate zu 100 Prozent zu versteigern.
OZ: Hat der plötzliche Bauboom für Kohlekraftwerke etwas damit zu tun, dass die kostenlosen Zertifikate auslaufen?
Groote: Das glaube ich nicht. Jeder Energiekonzern muss pro Jahr für seine Kraftwerke Zertifikate kaufen. Deshalb werden Kohlekraftwerke ab 2013 unwirtschaftlicher.
OZ: Woher kommt dann der Boom?
Groote: Wir haben viele veraltete Kraftwerke, die zum Teil über 40 Jahre alt sind und jetzt ersetzt werden müssen.
OZ: Aber warum ausgerechnet Kohle?
Groote: Das liegt unter anderem daran, dass wir in der Bundesrepublik keine neuen Atomkraftwerke haben wollen.
OZ: Also werden klimaschädliche Kohlekraftwerke gebaut.
Groote: Kohlekraftwerke machen nur dann Sinn, wenn sie mit CCS-Technologie ausgerüstet sind. Da sind wir uns übrigens mit unseren amerikanischen Kollegen einig.
OZ: Das ist aber teuer.
Groote: Das ist sehr teuer. Aber wir haben nur eine Chance, den Kampf gegen den Klimawandel zu gewinnen, wenn wir diese Technologie einsetzen. Die USA und auch die Chinesen werden nicht auf Kohlekraftwerke verzichten.
OZ:In Dörpen, in Stade und in Emden sind Kohlekraftwerke geplant, in Wilhelmshaven ist der Bau schon genehmigt. Was sagt der Umweltpolitiker dazu?
Groote: Alte Technik ist ohne Wenn und Aber klimaschädlich. Ich setze große Hoffnung auf die besagte CCS-Technologie. Sie funktioniert, die einzelnen Komponenten werden schon eingesetzt. Wir müssen schleunigst ein Demonstrationskraftwerk auf den Weg bringen, damit diese Technologie für alle Kraftwerke zu Verfügung gestellt werden kann.
OZ: Sie gehören also auch zu denen, die sagen: Kein Kohlekraftwerk in Emden.
Groote: Ich sage: Generell kein Kohlekraftwerk mit alter Technik.
OZ: Und was sagen Sie dazu, was auf der anderen Seite des Dollart passiert? Die Niederländer erweitern in Sichtweite von Emden ihre energieintensive Chemie-Industrie und bauen ihre Gaskraftwerke aus. Das passt doch nicht.
Groote: Das gleiche passiert auch in Deutschland. Generell müssen wir weg von fossilen Energieträgern. Es gibt einen Gesetzesvorschlag, in dem wir festschreiben wollen, das ab 2020 in Europa 20 Prozent unserer Primärenergie aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen. Mit der nächsten Stufe des Emissionshandels wird der Druck stärker, effiziente und klimafreundlichere Anlagen zu bauen. Das gilt für die niederländischen Betreiber genau so wie für die französischen, dänischen oder deutschen.
OZ: Wenn Sie sagen, dass Strom in Zukunft immer klimafreundlicher erzeugt werden muss, heißt das gleichzeitig, dass Strom immer teurer wird.
Groote: Bei knappen Ressourcen, bei größerer weltweiter Nachfrage steigt der Preis : so ist das.
OZ: Und Sie machen es extra teuer, weil Sie besonders teure Technologie in den Kraftwerken verlangen.
Groote: Nein. Wir machen Druck, dass einerseits der Strom klimaschonend herstellt wird, aber gleichzeitig drängen wir auch darauf, dass wir effizienter damit umgehen, also weniger verbrauchen. Beispiel Autos: In Ostfriesland sind die Menschen auf das Auto angewiesen, der Benzinpreis steigt, also drängen wir darauf, dass die Autos effizienter werden. Wir haben ökologisch, aber auch ökonomisch nichts zu verschenken.
OZ: Das klingt schön. Aber was bedeutet das konkret?
Groote: Wir wollen Anreize, mehr schadstoffarme Autos zu bauen. Es soll nicht nur Strafzahlungen für die Hersteller geben, die mit ihren Fahrzeugen die vorgeschriebenen Schadstoffwerte nicht einhalten. Mein Vorschlag, den ich vor drei Wochen eingebracht habe: Die Hersteller, die energieeffiziente Autos auf den Markt bringen, werden belohnt. “
„Die Parteien in den USA haben Angst vor dem Klimawandel“ “
„Wir haben ökologisch, aber auch ökonomisch nichts zu verschenken“