Der Kammer-Spagat zum Kohlekraftwerk

OSTFRIESEN ZEITUNG 02.04.2008

Der Kammer-Spagat zum Kohlekraftwerk

„Für eine endgültige Stellungnahme fehlen jedoch noch zu viele Informationen“, sagte Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhold Kolck.

Emden – Von einem Riss zu sprechen, wäre vermutlich übertrieben. Doch die Meinungen über das in Emden geplante Kohlekraftwerk gehen in der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Ostfriesland und Papenburg auseinander. Nach der turnusmäßigen Vollversammlung gestern Vormittag jedenfalls sprach Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhold Kolck von einer „intensiven Diskussion“ darüber, welche Position die Kammer zum umstrittenen Großprojekt einnehmen soll.

Ein anderer Teilnehmer nannte die Verhandlungen „kontrovers“. Am Ende wurde dennoch einstimmig eine „Fünf-Punkte-Erklärung“ abgesegnet. Die IHK spricht sich darin gegen ein Kohlekraftwerk aus, wenn es nach dem heutigen Stand der Technik und nach der aktuellen Gesetzeslage gebaut wird. Zudem müsse sich eine neue Anlage in das „Gesamtbild des IHK-Bezirks und die Vorstellung von dessen gewünschter Entwicklung einfügen“.

Doch gerade bei der gewünschten Entwicklung ist man bei der IHK offenkundig geteilter Meinung: „Ganz klar“, sagte Hauptgeschäftsführer Kolck. „Die IHK muss einen Spagat machen.“ Einerseits hat die Region : und besonders Emden : viel für regenerative Energien und den Umweltschutz getan. „Aber wir dürfen nicht so tun, als sei ganz Ostfriesland ein Naturschutzgebiet“, sagte Kolck. „Emden ist ein Industriestandort.“

Drei Ausschüsse hatten die Debatte der Vollversammlung in den vergangenen Wochen vorbereitet : und vielleicht kann man sogar von verschiedenen Lagern sprechen.

Der Ausschuss für Tourismus hat sich nach Kolcks Angaben gegen ein Kraftwerk ausgesprochen. Die Vertreter der Hafenwirtschaft hingegen sind prinzipiell für die Anlage : sollte sie nach den dann neuesten Standards gebaut werden. Der Hafenumschlag würde von dem Großprojekt profitieren. Auch Kraftwerke müssen schließlich versorgt werden, etwa mit Kohle.

„Sehr abwägend“ habe sich der Ausschuss für Industrie- und Energiewirtschaft geäußert, sagte Kolck. Und nach eingehender Diskussion habe man sich schließlich auf eine Linie festgelegt.

„Wir haben Kriterien festgelegt, nach denen wir konkrete Kraftwerkspläne beurteilen können“, sagte Kolck. Denn bislang fehle in der Diskussion über das Kraftwerk vor allem eins: genaue Informationen. Seit dem Ende vergangenen Jahres führe man Gespräche mit dem potenziellen Investor, dem dänischen Konzern Dong Energy. „Frühestens im nächsten Monat sollen uns Details geliefert werden“, sagte Kolck. Dabei sei man sich auch bei Dong noch nicht klar darüber, was für ein Kraftwerk in Emden gebaut werden könnte: „Es gibt viel Unsicherheit.“

Mit ihrem Programm hat die IHK indirekt auch eine Aufforderung an die Politik verabschiedet. „Wir müssten jetzt auf der Rechtsgrundlage von 2004 entscheiden“, sagte Kolck. „Aber die Entscheidung über das Kraftwerk steht erst 2010 oder 2011 an.“ Mit anderen Worten: Die Politik soll die Rechtsgrundlage für neue Kraftwerke an technische Entwicklungen anpassen: „Sonst müssten wir auf einer veralteten Basis entscheiden“, so Kolck. „Wir wollen aber das Neueste und das Beste.“

Dabei liege die Entscheidung für oder gegen Emden als Kohlekraft-Standort ohnehin nicht bei der IHK, sagte Kolck. „Das ist Sache der Politik.“ Doch man werde die Diskussion genau verfolgen : und bei Bedarf auch Einfluss nehmen. „Als Kammer müssen wir die Wirtschaftsinteressen unserer Mitgliedsunternehmen vertreten“, sagte Kolck. „Und das werden wir auch tun.“