„Ein Kohlekraftwerk passt nicht ins Konzept“

OSTFRIESEN ZEITUNG vom 12.03.2008

„Ein Kohlekraftwerk passt nicht ins Konzept“

Seit Jahren gibt das kommunale Unternehmen Geld für umweltfreundliche Projekte aus. Auch künftig werde es vor allem auf Windenergie setzen, sagt der Chef.

OZ: Herr Edzards, der dänische Konzern Dong möchte in Emden ein Kohlekraftwerk bauen. Was sagen eigentlich die Stadtwerke dazu?
Remmer Edzards: Ich bin hier vor 17 Jahren mit dem Auftrag angetreten, mich um den Einsatz und die Weiterentwicklung erneuerbarer Energien zu kümmern. Wir waren lange einer der wenigen kommunalen Versorger, die Geld in solche Projekte gesteckt haben. Und das, obwohl wir wussten, dass sie keinen Ertrag bringen würden. Ich rede hier von 400 000 bis 500 000 Euro, die wir damals jährlich zugeschossen haben. Noch heute ziehen wir für umweltfreundliche Projekte rund 150 000 Euro im Jahr vom Gewinn ab.


OZ: Mit anderen Worten: Ein Kohlekraftwerk . . .

Edzards: . . . passt nicht ins Konzept der Stadtwerke. Und an unserem Konzept wollen wir festhalten.
OZ: Das klingt nach Konfrontation.
Edzards: Natürlich sehe ich, dass wir für die Energieversorgung in Deutschland neue Kraftwerke brauchen. Allein aus regenerativen Quellen können wir den Bedarf noch nicht decken, da müssen Übergangslösungen her. Kohle und Gas gehören dazu. Wo solche Kraftwerke gebaut werden, wird allerdings nicht bei den Stadtwerken Emden entschieden. Da werden wir uns nicht einmischen.

OZ: Die Stadtwerke würden von einem Kohlekraftwerk profitieren. Solche Anlagen verbrauchen sehr viel Wasser, und das liefern Sie.
Edzards: Das stimmt.
OZ: Stecken Sie in einer Art Zwickmühle?
Edzards: Natürlich wäre es toll für uns, wenn wir im Jahr plötzlich eine Million Kubikmeter Wasser mehr absetzen könnten. Aber das würde mich nie dazu veranlassen, mich für den Bau eines Kraftwerkes einzusetzen.

OZ: Politiker und Verbraucherschützer fordern mehr Wettbewerb auf dem Strom-Markt. Die Kunden werden zum Wechsel angehalten, damit die Anbieter unter Druck geraten. Macht sich das auch bei Ihnen bemerkbar?
Edzards: Was das betrifft, war es lange ruhig bei den Stadtwerken Emden. Aber im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Wechsler mehr als versechsfacht.
OZ: Was haben Sie dagegen unternommen?
Edzards: Wir haben bei unseren Kunden nachgefragt, und ziemlich verbittert festgestellt, dass die Leute häufig alles andere als gut informiert sind. Die wurden einfach heiß gemacht von massiver Werbung. Den Kunden wird ja teilweise ein schlechtes Gewissen eingeredet, wenn sie nicht wechseln. Aber die Politik will das so. OZ: Um den Wettbewerb anzukurbeln. Das ist doch nicht verwerflich.
Edzards: Mit Einschränkungen. Was beklagen wir denn so sehr? Dass die vier Großen : RWE, Eon, EnBW und Vattenfall : die Stromwirtschaft in Deutschland bestimmen. Sie profitieren von den steigenden Preisen und erzielen Rekordgewinne. Aber wer steckt denn beispielsweise hinter dem Billig-Anbieter „E wie einfach“?
OZ: Eon.
Edzards: Aber das wissen die wenigsten. Wir jedenfalls ziehen den Kunden das Geld nicht aus der Tasche. Wir kaufen den Strom an der Börse ein : zu Marktpreisen. Letztlich muss sich auch „E wie einfach“ an den Börsenpreisen orientieren.
OZ: Was Eon macht, ist also Dumping?
Edzards: Es ist ein bisschen Dumping. Und die tiefen Preise werden nicht lange gehalten werden können. Der Wettbewerb sollte auf der Erzeuger-Seite angekurbelt werden. Die Kraftwerke müssen auf mehr Erzeuger verteilt werden. OZ: Aber Kraftwerke kosten viel Geld, und das haben nur die Branchenriesen. Oder es schließen sich viele kleine zusammen wie etwa bei dem Stadtwerke-Verbund Trianel. Edzards: Genau. Die Gruppe hat gerade in Hamm-Uentrop ein Kraftwerk gebaut.
OZ: Und sie baut gemeinsam mit der Leeraner Offshore-Firma Prokon-Nord einen Windpark vor Borkum. Wären Sie gerne dabei?
Edzards: Im Prinzip: ja. Aber wir haben uns in Emden darauf festgelegt, uns am Offshore-Geschäft nicht zu beteiligen. Wir werden zunächst einmal alle Möglichkeiten an Land ausschöpfen, und davon gibt es noch eine ganze Menge. Wir erzeugen schon jetzt 25 Prozent unseres gesamten Strombedarfs aus Windenergie.
OZ: Und wie geht´s weiter?
Edzards: Wir stehen kurz vor der Bestellung der nächsten Großanlage bei Enercon, die allein etwa 20 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren wird. Außerdem führen wir in den nächsten Tagen Gespräche mit dem Emder VW-Werk. Dort wollen wir einen, möglicherweise zwei Standorte zusätzlich für Windenergie-Anlagen anmieten. Mittelfristig werden wir 50 bis 80 Prozent unseres Bedarfs mit Windenergie decken. Und wir werden mit dem Strom aus Wind Geld verdienen.
OZ: Würde es sich für die Stadtwerke Emden nicht auch anbieten, sich mit anderen zu vernetzen?
Edzards: Das ist tatsächlich eine interessante Alternative. Als Stadtwerke geraten wir zunehmend unter Druck. Erstens, was den Energie-Verkauf betrifft. Und die Netz-Regulierung setzt uns ebenfalls unter Druck. Ab dem nächsten Jahr wird uns die Bundesnetzagentur Höchst-Erlöse vorgeben, die wir aus der Durchleitung durch unsere Netze erzielen dürfen. Und die werden in den nächsten zehn Jahren kontinuierlich sinken. Wenn wir weniger verdienen dürfen, müssen wir die Kosten senken. Wir reden hier von 26 Prozent in den nächsten zehn Jahren.
OZ: Und das ließe sich im Verbund leichter bewerkstelligen?
Edzards: Nach Ostern beginnen wir mit einem Projekt zur strategischen Ausrichtung. Zusammen mit einem Unternehmensberater wollen wir bis zu den Sommerferien nach neuen Wegen suchen.
OZ: Sind Sie da zeitlich noch gut im Rennen, oder hätte man so etwas schon früher angehen müssen?
Edzards: Nein, wir sind noch gut im Rennen. Wir werden unsere Stärken definieren und Schwerpunkte suchen. Natürlich wollen wir im Zuge des Projekts auch darüber nachdenken, ob Kooperationen sinnvoll sind und wer als Partner in Frage käme. Wir haben auch schon mit den anderen kommunalen Energieversorgern in der Region gesprochen.
OZ: Viele sind das ja nicht.
Edzards: Stimmt. Wilhelmshaven, Wittmund, Norden, Norderney, Borkum und wir. Und Delmenhorst gehört noch dazu. Da haben wir schon kleine Arbeitsgruppen gegründet, um Synergien zu nutzen. Zum Beispiel in Sachen Einkauf. Bevor es aber große Kooperationen gibt, müssen wir uns in den nächsten Monaten erst einmal selbst finden. Und unsere Stärken.
OZ: Eine Stärke hätte der Export von Wasser in die Niederlande werden können. Es soll da beinahe zum Geschäft gekommen sein.
Edzards: Richtig, aber das ist in der letzten Woche gescheitert.
OZ: Die Niederländer brauchen Trinkwasser, weil sie selber nicht zu viel Grundwasser bei sich entnehmen wollen. Außerdem werden auf der anderen Seite der Ems zwei Kohlekraftwerke gebaut, und die müssen ebenfalls versorgt werden. Da hätten Sie doch prima liefern können.
Edzards: Die Pläne waren tatsächlich gut. Wir wollten fünf Millionen Kubikmeter nach Holland liefern, und wir hätten das Wasser über einen Tunnel in die Niederlande bringen können, den Gas-Unie für eine Gasleitung unter der Ems bauen wollte. Aber vor der Lieferung hätten wir massiv in eine neue Entnahme-Stelle investieren müssen. Wir reden von rund 19 Millionen Euro. Die Kosten hätten wir auf den Wasserpreis aufschlagen müssen, aber da haben die Niederländer abgewunken.